Der schwarze Tag von Sötenich


Quellen:

Aufzeichnungen des Pfarrers Hermann Josef Stinnesbeck, der von 1951 bis 1956 in Sötenich tätig war.

Erinnerungen und Erzählungen von Zeitzeugen.


Vor 80 Jahren, am 6. Februar 1945 war für die Sötenicher Einwohner einer der dunkelsten Tage, der in der Geschichte unseres Ortes unvergessen bleiben wird.

 

Ortsansicht, Sötenich um 1940

Anfang Dezember 1944 hatte in der Eifel der Aufmarsch zur Ardennen-Offensive begonnen und im Anschluss daran wälzte sich der Zweite Weltkrieg langsam von Westen nach Osten. Die Eifel war zum Niemandsland zwischen den kämpfenden Fronten geworden.

Obwohl in den Jahren 1940-1943 keine direkten Kriegshandlungen in unserer Region stattfanden, war der Krieg dennoch in vielen Familien auf dramatische Weise präsent: Viele Sötenicher Männer wurden ab 1941 zur Wehrmacht eingezogen und kämpften an den Fronten an Land und zur See in ganz Europa; sie kehrten - wenn überhaupt - oft genug als Schwerverletzte nach Hause zurück.

 

Der Zweite Weltkrieg kam im Februar 1945 nach Sötenich...

 

 Bei bedecktem Himmel und Temperaturen um 6°C gegen 15 Uhr erlitt unser Dorf am 6. Februar 1945 die schwersten Schäden des Krieges durch einen Bombenangriff der United States Army Air Forces (USAAF) auf Sötenich, ohne dass vorher eine Warnung über das Herannahen von feindlichen Luftverbänden erfolgt war.

Bei einer vorausgegangenen Warnung wären wohl kaum Opfer zu beklagen gewesen und so wurde dieser Tag wurde zum schlimmsten Tag in Sötenich abwechslungsreicher Geschichte.

Vier Wochen vor dem Einrücken amerikanischer Bodentruppen in unsere Region, wurde ein Dienstag, der 6. Februar 1945 zum "Schwarzen Tag von Sötenich".

 

Der abgeworfene Bombenteppich hatte eine verheerende Wirkung und zerstörte unter anderem auch die Kirche. Der Kirchturm war zunächst stehen geblieben, aber er wurde so schwer beschädigt, dass er einige Tage später zusammenstürzte.

Die Opfer dieses Fliegerangriffs waren so beträchtlich, weil sich die meisten Bewohner Sötenichs bei dem plötzlichen Herannahen der feindlichen Verbände nicht mehr in die Sicherheit des Stollens (Stollen hinter dem ehemaligen Beuststollen-Betriebsgebäude, der sich stellenweise über 50 Meter unter der Erdoberfläche hinzieht) bringen konnten und soweit das überhaupt möglich war, Zuflucht in den gegen Luftangriffe schlecht gesicherten Kellern fanden.

Das Wohnhaus der Familien Ferfer und Weierstrass, die Kirchenwohnung, sowie der Verladebahnhof und weitere 30 Häuser wurden dem Erdboden gleichgemacht. Des weiteren wurden 56 Häuser in der Umgebung des gefallenen Bombenteppichs liegenden Häuser stark beschädigt.

Der Friedhof der Kirchengemeinde wurde durch viele Bombentrichter in Mitleidenschaft gezogen. So wurde den Toten nicht einmal die Ruhe gegönnt, denn so manche Sötenicher Leiche der letzten Jahre, wurde durch die entstandenen Bombentrichter im Friedhofsbereich wieder sichtbar.

 

Sehr viel schwerer als die entstandenen materiellen Verluste waren jedoch die Opfer an Menschenleben:

19 Tote aus der Gemeinde Sötenich, sowie eine große Anzahl Verletzter kostete dieser Angriff.

Wohnbaracken und Lager der Organisation Todt am Ortseingang von Sötenich.

Auch unter den beschäftigten Westwallarbeitern der Organisation Todt, die überwiegend aus Ausländern und Kriegsgefangenen bestand, sowie deren militärischer Bewachung (im Ferferhof) waren über weitere 30 Tote zu beklagen. Dazu kamen noch zahlreiche Verletzte und Schwerverletzte, deren Zahl letztendlich unbekannt blieb.

 

Die Opfer des Fliegerangriffs wurden, soweit es Sötenicher waren, auf dem oberen Teil des Friedhofs beigesetzt, denn der untere Teil des Sötenicher Friedhofs ähnelte zu dieser Zeit einer Kraterlandschaft.

 

Die Sötenicher Kindergärtnerin Maria Mohr galt lange als vermisst. Ihr Leiche  wurde erst nach Monaten gefunden und beigesetzt, als die Trümmer des Pfarrhauses beiseite geschafft wurden. Sie hatte an der Wand des Pfarrhauses wohl Schutz gesucht und wurde dort von den herabfallenden Schuttmassen erschlagen und verschüttet.

 

Ein Teil der toten Westwallarbeiter und Soldaten wurden auf dem Mühlbergskopf beerdigt. Später wurden die Leichen exhumiert und fanden auf dem Ehrenfriedhof in Steinfeld ihre letzte Ruhe.

Viele von den Gefallenen (Arbeiter, Soldaten und Kriegsgefangene) sind damals entweder mit der Bahn abtransportiert worden, oder sie wurden an Ort und Stelle begraben.

Auch in den Parkanlagen der Betriebsdirektion der Westdeutschen Zementwerke fand man Soldatengräber. Diese Leichen wurden ebenfalls später exhumiert und in ihre Heimat überführt.

 

Die Gründe für die feindlichen Luftangriffe sind darin zu suchen, dass der Verladebahnhof in Sötenich für die in diesem Raum kämpfenden Truppen seine Bedeutung hatte und deshalb ein lohnendes Angriffsziel war.

Außerdem war noch ein höherer Stab, der für die Truppenbewegungen zuständig war, im Hofe Ferfer untergebracht. Die Offiziere des Stabs rechneten jedoch mit einem baldigen Angriff und hatten sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht - in der Volkssprache hieß das: Sie waren Hals über Kopf geflohen!

 

Dieser in Sötenich untergebrachte Stab gehörte zu einem Armeehauptquartier, das aus Anlass der Rundstedt-Offensive in der Dalbender Burg untergebracht war.

Offenbar war auch der Gegner durch Spionagetätigkeiten über die Anwesenheit eines Armeehauptquartiers in der Burg Dalbenden unterrichtet, so dass am 18.12.1944 ein Luftangriff auf diese Burg erfolgte. Dieser Angriff erfolgte einen Tag später, nach der Verlegung dieses Generalstabsquartiers aus der Villa Schulz an der Rinner Straße in Sötenich nach Burg Dalbenden in Urft.

 

Der Angriff forderte viele Opfer unter den Offizieren, darunter auch ein General. Die Opfer wurden damals auf dem Ehrenfriedhof in Steinfeld beigesetzt.

 

Es wird erzählt, dass Adolf Hitler sich bis eine halbe Stunde vor dem Angriff in der Burg Dalbenden aufgehalten haben soll, bevor er in Richtung Marmagen weiterfuhr.

Ob dies den Tatsachen entspricht darf allerdings angezweifelt werden, denn die "Oberste Heeresleitung" wird sich nach der verlorenen Ardennenoffensive kaum noch in der Eifel aufgehalten haben....


Die Sötenicher Opfer des Fliegerangriffs vom 6. Februar 1945:

 

Deutsch Christel

wurde am 25. Juni 1938 geboren und wohnte hier als Kölner Evakuierte bei Ihren Verwandten.

 

Ferfer Hubert

geboren am 9. November 1873, wurde im Keller seines Hofes durch Trümmer erschlagen.

 

Ferfer Heinz                       

geboren am 27. Januar 1939, starb bei seinem Großvater (Hubert Ferfer) im Keller.

 

Jansen Franz Rudolf         

geboren am 8. April 1887, wurde auf dem Weg zum Beuststollen erschlagen.

 

Lentges Hans Johann      

geboren am 16. März 1873, starb bei der Reparatur des beschädigten Daches seiner Wohnung.

 

Lentges Hans                      

geboren am 22. Oktober 1926, half seinem Vater bei der Dachreparatur und starb ebenfalls.

 

Mohr Maria                        

wurde geboren am 13. September 1913. Sie wurde auf dem Weg zum Stollen erschlagen und verschüttet.

 

Schenk Karl                          

geboren am 11. Oktober 1891, wurde in seinem Haus erschlagen und starb letztendlich an seinen schweren Verletzungen in Steinfeld.

 

Schenk Hannelore            

Tochter von Karl Schenk, geboren am 28. August 1942, wurde vom Trümmern erschlagen und war sofort tot.

 

Schumacher Sophie          

geb. Wiesen, geboren am 22. September 1916 in Blumenthal, fiel mit ihren drei Kindern auf dem Fluchtweg.

 

Schumacher Hubert         

wurde in Blumenthal am 22. Oktober 1935 als Sohn der Sophie Schumacher geboren.

 

Schumacher Günther       

wurde am 15. August 1940 in Blumenthal als Sohn der Sophie Schumacher geboren und starb mit Mutter und Brüdern auf dem Fluchtweg zum Stollen.

 

Schuhmacher Johannes Dieter

wurde am 17. Dezember 1944 geboren und starb in den Armen seiner Mutter.

 

Weierstrass Wilhelm       

wurde am 7. Juli 1882 geboren. Er fand den Tod unter den Trümmern seines Hauses.

 

Mösch Ida                           

geb. Weierstrass, wurde geboren am 16. Januar 1924, war als Evakuierte bei ihrem Vater.

 

Mösch Horst Hermann    

wurde geboren am 17.12.1943 und starb an der Seite seiner Mutter im großelterlichen Hause.

 

Wiesen Gertrud                 

geb. Zimmer, geboren am 19. Juni 1881 und war mit ihrer Schwiegertochter in Sötenich

 

Wiesen Anna Maria         

geb. Weierstrass, geboren am 5. März 1917, weilte als Evakuierte bei ihrem Vater.

 

Wiesen Werner                 

wurde geboren am 24. Juli 1938 in Blumenthal und starb mit Mutter und Großvater.